Der Verlauf der Alzheimer-Erkrankung

Alzheimer ist eine fortschreitende Erkrankung. Sie führt zu einem zunehmenden Verlust von geistigen Fähigkeiten und Hirnfunktionen. Dadurch sind die Erkrankten irgendwann nicht mehr in der Lage, selbstständig für sich zu sorgen. Sie werden dauerhaft von Betreuung und Pflege abhängig. Im Spätstadium der Erkrankung treten neben dem geistigen Abbau körperliche Beschwerden auf, die die Patienten bettlägerig und anfällig für Alterskrankheiten und Infekte wie z. B. Lungenentzündung oder Harnwegsinfekt machen.

Trotz großer wissenschaftlicher Anstrengungen lässt sich Alzheimer bis heute nicht heilen. Der Verlauf kann jedoch durch Medikamente und andere Behandlungsmöglichkeiten günstig beeinflusst und verzögert werden.

Da eine dementielle Erkrankung von vielen verschiedenen Faktoren bestimmt ist, lässt sich der individuelle Verlauf nicht mit Sicherheit vorhersagen. Der Zeitpunkt der Diagnose spielt dabei ebenso eine Rolle, wie der Lebensstil, die körperliche Verfassung und die Persönlichkeit des betroffenen Menschen. Darüber hinaus gibt es in allen Stadien der Erkrankung auch gute, „normale“ Phasen. Obwohl der Krankheitsverlauf  individuell verschieden ist und auch in der medizinischen Literatur sehr unterschiedlich beschrieben wird, lässt er sich trotzdem in drei große Phasen einteilen. Das Grundwissen darüber kann Angehörigen und Betreuungspersonen helfen mit den zu erwartenden Veränderungen im täglichen Umgang mit der erkrankten Person besser umzugehen – möglicherweise treten aber manche Symptome gar nicht auf. Gezielte Vorbereitungen helfen in jedem Fall aber, Schwierigkeiten zu vermeiden und Problemen kompetent entgegenzutreten.

Drei Phasen

  • Die erste Phase
    In der ersten Phase (leichte Demenz) manifestiert sich als deutlichstes Symptom die Vergesslichkeit. Vergessen werden Termine, Namen und Ereignisse. Vieles wird verlegt: Handy, Schlüssel, Brillen und Taschen. Auch bei der örtlichen und zeitlichen Orien­tierung treten erste Defizite auf.

    Schwierigkeiten im Alltag machen sich bemerkbar: der Umgang mit Geld, Amts- und Bankgeschäfte, Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, sowie die regelmäßige Einnahme von Medikamenten.

    Die betroffene Person wird zunehmend unsicherer in ihrem Verhalten, was sich auch als Antriebslosigkeit, Rückzug, Scham­haftigkeit, Niedergeschlagenheit oder Ärger bemerkbar machen kann. Hilfe durch andere wird häufig abgelehnt.

  • Die zweite Phase
    In der zweiten Phase (mittel­gradige Demenz) häufen sich Gedächtnisaussetzer und motorische Schwächen treten auf. Ankleiden, Nahrungsaufnahme und -zubereitung, Autofahren oder Körper­pflege wer­den zunehmend schwieriger. Die Kontrolle über Blase und Darm kann verloren gehen. Die Erkrankten sind nun auf umfangreiche Hilfe angewiesen – bei den einzelnen Verrichtungen des Alltags ebenso wie bei der Gestaltung ihres Tagesablaufs. Auch das Langzeitgedächtnis leidet nun. Die Namen vertrauter Menschen werden manchmal vergessen oder verwechselt. Die Sprachäußerungen werden immer einfacher, das Sprachverständnis lässt zunehmend nach. Wörter, kurze Sätze oder auch Handlungen können permanent wiederholt werden.

    Stimmungswechsel sind häufig und oftmals abrupt. Es kann zu aggressivem Verhalten kommen, aber auch zunehmend zu Rückzug und Verweigerung von Hilfe.

    Für einige Alzheimer-Kranke kann eine Tag –Nachtumkehr auftreten: Sie sind während der Dunkelheit auf den Beinen und schlafen tagsüber. Ebenso ist es möglich, dass sich die Erkrankten nun in vertrauter Umgebung verirren. Sie können unruhig sein oder sogar davonlaufen und verloren gehen. In dieser Phase stellen diese Persönlichkeits- und Verhaltensveränderungen die größte Herausforderung für das Umfeld dar.

  • Die dritte Phase
    In der dritten Phase (schwere Demenz) ist der Mensch mit Demenz auf eine dauerhafte, unterstützende Begleitung, Betreuung und Pflege angewiesen. Auch nahe Angehörige werden nun oft nicht mehr erkannt. Die Sprache ist auf wenige Wörter reduziert.

    Schluckstörungen sind möglich und sollten mit Hilfe einer Fachkraft (Logopädin) gemildert werden. Viele Patienten können nur noch in kleinen, schleppenden Schritten, häufig aber auch gar nicht mehr gehen. Sie bewegen sich nur noch nach Aufforderung, nicht mehr aus eigenem Antrieb. Selbst die Fähigkeit, aufrecht zu sitzen, kann verloren gehen. es kommt zu Bettlägrigkeit. Blase und Darm können nicht mehr kontrolliert werden. Unter Umständen treten Krampfanfälle auf.

    Eine sorgfältige, fachgerechte Pflege ist angezeigt um Wundliegen vorzubeugen.

 

Wie lange die einzelnen Stadien der Erkrankung andauern, kann im Einzelfall nicht vorhergesagt werden.

7-Stadien-Modell

Für die Pflegepraxis und für Angehörige ist das „7-Stadien-Modell“ von Barry Reisberg (New York University School of Medicine’s Silberstein Aging and Dementia Re­search Center) hervorzuheben. Es gliedert den Verlauf der Alzhei­mer­krank­heit in sieben Stadien:

Stadium 1 Keine Auffälligkeiten (no impairment)
Im ersten Stadium sind keine auffälligen Symptome im Sinne eines Verlusts kognitiver Fähigkeiten vorhanden respektive sichtbar. Die betroffene Person ist von ihrem Verhalten her unauffällig und es sind keine Defizite im täglichen Leben bemerkbar. Der Patient ver­spürt auch keine subjektiven Beschwerden. Ebenso wenig würden klinische Gedächtnis­tests Rückschlüsse auf eine mögliche Erkrankung geben. Das erste Stadium wird daher auch als Latenzphase bezeichnet.
Stadium 2 Sehr leichte Vergesslichkeit (very mild cognitive decline)
Es treten erste, leichte Gedächtnisstörungen auf, die allerdings relativ unauffällig sind und subjektiv vielfach der normalen Altersvergesslichkeit zugeschrieben werden. Häufig be­nutzte Gegenstände werden öfter verlegt oder an sich bekannte Namen fallen dem Be­troffenen nicht sofort ein. Objektiv ist keine Beeinträchtigung festzustellen.
Stadium 3 Leichter Verlust kognitiver Fähigkeiten (mild cognitive decline)
Im dritten Stadium werden erste Gedächtniseinbußen deutlich sichtbar. Vor allem bei komplexen, herausfordernden Arbeiten treten Fehler zutage. Die Leistung im Beruf nimmt ab. Der Betroffene hat vermehrt Wort- und Namensfindungsstörungen, verliert und verlegt Gegen­stände und hat zunehmend Probleme, sich neue Namen zu merken oder organisa­torische Aufgaben zu planen. Ebenso nehmen Orientierungsfähigkeit und Merkleistung ab. Un­sicherheit und Ängstlichkeit verursachen zusätzlich Stress, wodurch sich ebenfalls die Ge­dächtnisleistung verschlechtert. Klinisch kann das dritte Stadium mittels Interviews und Tests diagnostiziert werden.
Stadium 4 Mäßiger Verlust kognitiver Fähigkeiten (moderate cognitive decline)
Im vierten Stadium sind die Einbußen evident. Es treten neben der bereits manifesten mangelnden Merkfähigkeit neuer Ereignisse, Personen oder Orte erstmalig Gedächtnis­lücken über vergangene persönliche Ereignisse auf, die schon länger zurück liegen. Ne­ben der örtlichen Desorientierung, die zunimmt, treten vereinzelt auch zeitliche Orien­tierungsschwierigkeiten auf. Komplexe Angelegenheiten (etwa finanzielle) können nicht mehr selbst geregelt werden. Auf die kognitiven Defizite reagiert der Patient entweder mit Verleugnung (dominanter Abwehrmechanismus) oder mit sozialem Rückzug (Antriebslo­sigkeit, Desinteresse).
Stadium 5 Mittelschwere kognitive Beeinträchtigung (moderately severe cognitive decline)
Fremde Hilfe ist in allen Lebenslagen notwendig. Der Betroffene ist noch in der Lage Aus­kunft über seine Person oder unmittelbar nahe stehende Personen zu geben. Alltägliches Wissen wie Namen, Adressen, Jahreszahlen, momentane Uhrzeit oder Aufenthaltsort, ist nicht mehr abrufbar. Motorische Fehlleistungen sind noch nicht vorhanden, allerdings ist der Betroffene nicht mehr in der Lage aus eigenem Antrieb zu agieren. Auch bei vermeintlich einfachen Tätigkeiten, wie Zähne putzen, Kaffee kochen, Duschen oder Ankleiden braucht es die Aufforderung und Unterstützung der Pflegekraft. Patienten im mittel­schweren Demenzstadium sind örtlich, zeitlich und zur Person in unterschiedlichem Aus­maß desorientiert.
Stadium 6 Schwere kognitive Verluste (severe cognitive decline)
Das Kurzzeitgedächtnis arbeitet nicht mehr. Der Alzheimerpatient weiß noch seinen Na­men. Seine Geschichte hat er (fast) vergessen. Ebenso seine Erkrankung. Personen kön­nen wohl noch als bekannt (im Sinne von vertraut) empfunden, jedoch nicht mehr zugeordnet wer­den. Die verbale Ausdrucksmöglichkeit reduziert sich auf einfache Wörter und Sätze. Tag und Nacht können nicht mehr unterschieden werden. Inkontinenz tritt in diesem Sta­dium häufig erstmals auf. In diesem Demenzstadium kommt es meist zu massiven Persönlich­keitsveränderungen. Wahnvorstellungen, Ängste, Unruhe, zwanghaftes Wiederho­len von Sätzen und Handlungen (Ticks) oder aggressives Verhalten sind möglich.
Stadium 7 Sehr schwerer kognitiver Verlust (very severe cognitive decline)
Die Betroffenen haben den Großteil ihrer Fähigkeiten verloren. Sprechen, gehen, stehen, sitzen, den Kopf halten, ist nicht mehr möglich. Die verbalen und motorischen Fähigkeiten kommen gänzlich zum Erliegen.
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